SchraubenschlüsselGrundlagen

Welcher Schlüssel wofür?

Schraubenschlüssel

Um wacklige Golf-Türen, ausgeleierte Corsa-Lichtmaschinen oder Nachbars ölige Daimler-Dämpfer fachgerecht zu verarzten, muss man Sechskante anfassen.

Schlüsselweite

Die Schlüsselweite bezeichnet den Abstand der Flächen am Sechskant in ganzen Millimetern und merkwürdigen Sprüngen. Grund dieser Sprünge sind Normreihen und Vorzugsgrößen, auf die sich Konstrukteure weltweit geeinigt haben. Diese Vorzugsgrößen sind allerdings nur Empfehlungen, die insbesondere französische Hersteller reizen, Zwischengrößen zu wählen. Ist man sich nicht sicher, welche Schlüsselweite den Lichtmaschinenhalter am Block befestigt, hilft ein Messschieber weiter. Häufig ist der Sechskant allerdings schlicht verdreckt oder verrostet, so dass statt einem 13er Schlüssel ein 12er passt und die eigentlich richtige Wahl ist.

Schlockert und klockert der Schlüssel trotzdem (oder will beim besten Willen nicht passen), lohnt sich ein Blick auf Haube oder Typenschild: schraubt man an alten Jaguar, Ford oder GM? In diesem Fall bewegt man sich im Imperium der English-Speaker und kann alles metrische Werkzeug weglegen. Weit weg. Schließlich triumphiert hier das Zoll und verlangt alle Schlüssel in eben diesen Größen. Wer metrische Schrauben mit englisch Maß angeht (und umgekehrt) vermetzgert unweigerlich die Sechskante. Aus diesem Grund sollten zölliges und metrisches Werkzeug fein säuberlich getrennt aufbewahrt und am besten unterschiedlich bunt beringt werden.

Klein, kleiner und noch kleiner. Braucht man für Tachos, Verkleidungsschrauben oder elektrisches.
Braucht man früher oder später immer: Satz kleiner Ringmalschlüssel
Machen den Henkelmann erforderlich: Satz großer Schraubenschlüssel. Wer viel schraubt, hat irgendwann Schlüssel bis SW52 liegen.
Dezimalbruch statt ganzer Zahl? Dieser Schlüssel ist was für Englishspeaker. Strikt von metrischen Schlüssel trennen.

Messer und Gabel

Unterscheidungsmerkmal Nummer zwei ist die Form des Schlüssels – und glücklicherweise länderübergreifend. Standardform ist der Gabel- oder Maulschlüssel. Mit ihm kann man auch Vierkante drehen und um Rohrleitungen herumgreifen. Wenn Wasserpumpen oder Einspritzanlagen sehr knapp und tief eingebaut sind, ist oft der Drehwinkel klein und der Maulschlüssel die einzige Alternative. Und dabei offenbart sich auch, warum das Maul nicht gerade vom Schlüssel wegzeigt: in beengtem Raum lässt sich der Schlüssel um 15° drehen, so dass man zwar häufig umgreifen muss, aber trotzdem weiterkommt.

Verfügt der Schlüssel an seinem Ende über einen Ring, so ist der Sechs- oder Zwölfkant dieses Rings meist so angebracht, dass er diese Teilung nochmal halbiert. Ist es also richtig knapp, kann man mit einem Ringmaulschlüssel immer noch weiterschrauben, auch wenn man das Ding ständig drehen und wenden muss.

Ringmaul-, Doppelmaul- und Doppelringschlüssel. Ideal die Ringmaulkombination einer Schlüsselweite. Reicht fast immer.
Nicht nur zum Spaß unterschiedlich abgewinkelt: Mit dieser Maulform muss man bei beengtem Platz zwar umgreifen, kann aber immer noch drehen.

Ein Ring, sie zu knechten und wenden

Die Nomenklatur aller Schlüssel ist kreuzeinfach und richtet sich logischerweise nach Form und Größe: da gibt es Doppelmaulschlüssel, Doppelringschlüssel und Ringmaulschlüssel. Das alles in der entsprechenden Schlüsselweite. Und in gerade, abgewinkelt, gekröpft und tief gekröpft. Wenn also der cholerische Meister in der Grube ramentert und lautstark einen „gekröpften 17er Ringschlüssel, aber dalli!“ verlangt, sollte der Lehrling nicht lange zögern und das richtige Gerät aus dem Kasten fischen.

Hat man am Sechskant freie Bahn, ist der Ringschlüssel die erste Wahl. Und zwar immer, immer und immer. Hier greift der Schlüssel nämlich auf alle sechs Flächen (oder Ecken) des Sechskants und kann maximale Kraft übertragen. Der Maulschlüssel hingegen langt nur auf zwei Ecken und bringt deshalb wohlgemerkt nur 1/3 des möglichen Drehmoments (!) auf die Schraube. Das fällt bei lockeren Verbindungen kaum auf, ist aber üblicherweise kriegsentscheidend, wenn man nur einen Versuch hat, bombenfeste Schrauben oder Muttern zu lösen.

Zudem können Ringschlüssel 6 oder 12 „Kante“ haben: letzteres ergibt halben Drehwinkel und mehr Freiheit bei engem Bauraum der Schraube oder Mutter. Hat man beim Werkzeugkauf die Wahl, verlange man nach 12kantigem Gerät.

Tief gekröpft, gekröpft und gerade. Gibt auch abgewinkelt. Luxus, wenn der Ringschlüssel einmal gerade und einmal gekröpft vorhanden ist.
12 Kante im Ringschlüssel. Funktioniert im Prinzip wie ein Maulschlüssel, den man ständig hin und herdreht. Wäre noch effektiver, wenn der 12kant im Schlüssel um ein paar Grad verdreht angeordnet wäre.

Auf die Fläche!

Vor Jahrzehnten haben sich ein paar Schlüsselmacher nochmal Gedanken gemacht und das 12kantige Profil so verändert, dass es nicht auf die Ecke, sondern in der Fläche greift. Eigentlich hätten simple Gemüter schon viel früher auf sowas kommen können, war hier aber ein Patent wert und hilft, auch fast aussichtslos verjuckelte Sechskante immer noch sicher zu greifen. Im Handel ist das unter „Dynamic Drive“, „Energy-Profil“ oder EPQ zu haben: Gegenüber dem simplen Gerät ist so ein Spezialprofil immer die bessere Wahl, weil die Ecken heil bleiben.

Bremsleitungs-Schlüssel

Weiteres Schlüssel-Unterscheidungsmerkmal ist die Kröpfung. So lassen sich versenkt liegende Muttern in Riemenscheiben nur mit tief gekröpften Ringschlüsseln sicher anfassen. Für schmale Muttern in Kettenschächten ist das wiederum nichts – die verlangen häufig nach flachen Schlüsseln. Ein normal gekröpfter oder abgewinkelter Schlüssel ist beim Kauf jedoch ein guter Kompromiss, mit dem man meist hinkommt.

Der Bremsleitungsschlüssel ist das Zwitterwesen zwischen Maul- und Ringschlüssel. Weil die Verschraubung von Einspritz-, Hydraulik- oder Bremsanlagen oft von außen korrodiert und innerlich festgebacken ist, schadet maximales Drehmoment an dieser Stelle nie. Wegen der Rohrleitung kommt ein normaler Ringschlüssel jedoch nicht in Frage. Der hastig angesetzte Maulschlüssel versaut oft genug den Sechskant, lässt das Gesicht lang werden und die freie Hand nach der Wasserpumpenzange fingern. Der Bremsleitungsschlüssel hingegen greift wenigsten auf vier Ecken und erhöht die Erfolgsaussichten unter der Motorhaube erheblich. Sein Preis macht sich bereits bei der ersten nicht vermurksten Schneidringmutter bezahlt.

Bremsleitungsschlüssel. Bringt das größtmögliche Drehmoment auf den Sechskant. Falls er versagt, kommt nur noch die Wasserpumpenzange.
Die stabile Bauweise macht deutlich, warum es nix bringt, einen Ringschlüssel aufzusägen: Biegt schlicht auf und ist dann schlimmer als gar kein Schlüssel.

Erbfeind im Werkzeugkasten

Neben den Standard-Schlüsseln existieren Sonderformen, die am Besten nie das Licht dieser Welt erblickt hätten. Das sind vor allem Verstellschlüssel: Als „Engländer“ oder „Franzose“ tragen diese Ausgeburten der Vorhölle unverfängliche Namen und haben Heerscharen tollwütiger Tschetschen ermächtigt, ehedem saubere Sechskante kunstfertig abzurunden.

So ein Verstellschlüssel kann ein Segen sein, wenn man ihn denn vernünfig einsetzt – nur zum Gegenhalten, am Sechskant zusammengedreht und nach der Arbeit wieder in die Giftschublade versenkt.

Verstellschraubenschlüssel, vulgo: Engländer. Immer am Objekt einstellen, nur zum Gegenhalten verwenden.
Ebenfalls Verstellschraubenschlüssel, vulgo: Franzose. Immer am Objekt einstellen, nur zum Gegenhalten oder Kaputthauen von Seitenscheiben verwenden.

Merke: Marke

Unterscheidungsmerkmal Nummero drei ist die Qualität des Werkzeugs. Und die kann (zusammen mit dem Preis) gehörig schwanken. Als Faustregel gilt: Markenqualität ist teuer und lässt sich noch an die Enkel vererben, Chinaplunder hingegen ist schlimmer als gar kein Werkzeug. Diese in kaukasischen Hochöfen zusammengeschmorten 140teiligen „Werkzeugkoffer“ für 39 Euro sind im besten Fall nutzlos. Im schlimmsten Fall rutscht man mit einem darin enthaltenen indischen Weicheisenschlüssel ab und ruiniert Werkstück, Unterarm und Sonntagnachmittag in einem Arbeitsgang.

Der Hinweis „Chrom Vanadium“ auf dem Schlüssel sagt lediglich, dass im Hochofen neben Baustahl auch Chrom und Vanadium anwesend waren. Wieviel, bleibt das Geheimnis der Giftmischer. Auch wenn es schmerzt: für abgenutztes oder billiges „Werkzeug“ gibt es nur einen sicheren Platz – die Schrottkiste.

So schadet es nicht, die eigene Werkzeugkiste alle Jubeljahre gründlich zu durchforsten und alle darin gestapelten Schätze ans Licht zu zerren: Oft genug findet man Maulschlüssel, die sich bei der vorletzten Gewaltaktion kaum merklich aufgebogen haben und seitdem ein halbes Dutzend kreuzbrave, gute Sechkante malträtierten. Solche Gesellen nicht nur ausmustern, sondern gleich mit der Flex entwerten, damit der blitzgescheite Werkstattkollege das Ding nicht wieder aus der Tonne fischt und unters
Werkzeug mogelt.

Kein Werkzeug, sondern Kernschrott zu 150 Euro die Tonne. Ausmustern.
Ebenfalls Schrott, auch wenns gut aussieht. Wegwerfen oder dem ärgsten Feind vor die Tür legen.
Der strenge Blick offenbart: Maul zerrissen. Sehen noch wie Schlüssel aus, sind aber Müll.

Rohrsteckschlüssel

Sitzen Muttern oder Schrauben so tief, dass man auch mit einem gekröpften Ringschlüssel nichts mehr ausrichtet, schlägt die Stunde der Rohrsteckschlüssel. Sie sind an ihren Enden sechseckig und lassen sich mit einem quer eingesteckten Schraubenzieher drehen. Diese Bauform blühte auf, als Herr Karmann mit dem Ghia reich wurde.

Damals waren echte Steckschlüssel mit Knarre und Nuss unerschwinglich teuer und diese Rohrsteckschlüssel ein prima Kompromiss. Sie sind heutzutage fast vollständig von Knarren ersetzt worden, können aber noch zwei Nischen behaupten: Nische eins sind sehr enge Bohrungen, z.B. Kerzenlöcher in knappen Zylinderköpfen oder tiefliegende Stiftschrauben in Ventildeckeln. Selbst ein aktueller Kerzenschlüssel ist hier zu breit und muss dem Rohrsteckschlüssel das Feld überlassen.

Nische zwei sind weit auf Gewindebolzen aufgedrehte Muttern, bei denen einige Zentimeter Gewinde überstehen und die deshalb normalen Nüssen keine Chance lassen. Falls also noch Platz im Werkzeugwagen ist, stören Rohrsteckschlüssel nicht und kommen dann zum Einsatz, wenn alle übrigen Werkzeuge passen müssen.

Einst der Zwitter zwischen Schlüssel und Knarre. Heute Spezial-Sonderhelfer, wenn es für Stecknuss und Verlängerung zu eng ist.
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