E-Hand-Schweissen in der Praxis
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E-HandSchweissenPraxis

06 – E-Hand-Schweissen Praxis

Bzzzzzzzzzzzz!

Sobald der Trafo brummt und die Elektrode im Halter klemmt, ist -jawoll!- endlich Schweiß-Zeit!

Trafo an!

Alles steht bereit: Trafo ist an, Werkstücke fein geputzt, Elektrode klemmt. Schweißschild in die Linke,
Elektrodenhalter in die Rechte, tupf,tupf,tupf – bzzzz. Los geht ́s – wenn man ́s kann. Andernfalls folgen
nun ein paar saftige Flüche. Neben dem gerüttelten Maß Theorie besteht die gelungene Schweißung
nämlich zu mindestens 90% aus Übung und Erfahrung.
So kann vielleicht ein begabter 10jähriger Bengel die Bedienungsanleitung eines Toyota Aygo auswendig
aufsagen, wenn er sie mehrmals gelesen hat. In der Praxis wird er den Bock garantiert trotzdem mangels
Erfahrung an die nächste Mauer semmeln. Denn Autofahren ist Erfahrung und Übung, so wie Schweißen.

Um nun diese goldene, wertvolle Erfahrung zusammenzukratzen, fangen wir mit der simpelsten
Schweißnaht an – der schnöden Auftragsschweißung. Dabei wird eine arglose Schweißraupe auf das
Werkstück gelegt. Dieses Auftragsschweißen oder Plattieren oder Panzern braucht man, um
Baggerschaufeln in Form zu halten oder Bohr- und Räumgeschirr.
Straßenbahnunternehmen sparen viel Geld, indem sie ihre Schienen in Kurven nicht alle Jahre tauschen,
sondern ab und an mit einer Lage Schweißraupen panzern.
Um ein Gefühl zu bekommen, wie man die Elektrode zündet, hält und bewegt, eignet sich das
Auftragsschweißen ganz hervorragend. Außerdem wird deutlich, wie man den Trafo einstellen muss.

Elektrode zünden

Zum Üben eignen sich irgendwelche dickeren Stanzabfälle vom Schrott, Stahlprofile aller Art oder alte
Bremsscheiben oder LKW-Felgen.
Hat man die Elektrode passend zum Werkstoff und zur Dicke des Materials jetzt im Halter klemmen,
muss man sie nur noch zünden. Dazu irgendeine wirklich saubere Stelle des Werkstücks anpeilen, im
Auge behalten und gleichzeitig das Schweißschild vor die Rübe schieben.

Dann mit der Elektrodenspitze auf das Werkstück stuken. So, wie in Filmen der 50er Jahre Raucher ihre
Kippen auf den Handrücken. Die Elektrode sollte dabei nahezu lotrecht auf das Werkstück treffen.
Wenn die Elektrode zündet, kippt man sie um vielleicht dreißig Grad „in Fahrtrichtung“ ab und beginnt,
die Naht zu ziehen. Nicht zu schnell, nicht zu langsam. Spätestens, wenn die Elektrode runtergebrutzelt
ist, endet die Schweißnaht. Diese schöpferische Pause kann man nutzen, sich den Schweiß abzutupfen,
ans Telefon zu gehen oder einfach die Schlacke von der Naht zu nehmen.

Nehmen dann, wenn sich die Schweißnaht fast von selbst von der Schweißraupe runterpellt.

Tuck! Tuck! Tuck – bzzzzzzz!

Auftragsnaht

Tut sie das nicht, braucht man den Schlackenhammer. Mit dem klöpfelt man leise auf der Schlacke rum,
bis alles runter ist. Dabei immer, immer, immer Schutzbrille tragen. Diese Schlackenteile sind unerhört
spitz und im ungünstigen Fall auch noch kurz unter rotglühend. In betörender Schönheit liegt die Schweißnaht vor uns . (sollte die Schlacke ums Verrecken nicht runtergehen, hat man irgendwas gravierend falsch gemacht)
Da man dort, wo es nix mehr zu sagen gibt, schweigen soll, tun wir das auch und lassen das Laufbild
sprechen.

Die Schlacke pellt sich traumhaft von der Naht, der Schweißer lächelt, die Werkstatt riecht nach
Rosenwasser….abgesehen vom Bild lohnt sich auch der Dreh am Lautsprecherknopf, weil das Geräusch
der abbrennenden Elektrode gut zu hören ist. SO muss E-Hand klingen.
Je nach Grundmaterial, Elektrode und Schweißstrom kann diese diese frische Schweißraupe
unterschiedlich breit sein und unterschiedlich tief in das Werkstück eingebrannt. Und unterschiedlich
geschuppt. Faszinierend!
Jetzt ist die Zeit gekommen, mit anderen Einstellungen in der Stromstärke, mit verschiedenen Neigungen
der Elektrode und unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Bewegung zu experimentieren.

Ist zwar keine Auftragsnaht – muss aber genauso klingen und aussehen. Fein!

Überlappnaht

Gelingt das Zauberkunststück der Auftragsnaht zuverlässig reproduzierbar, ist der Rest (im Prinzip) nur
noch Variation. Die einfachste Abwandlung der simplen Auftragsschweißung ist eine Überlappnaht. Der
Begriff ist nur auf den ersten Blick eindeutig. Da lappt ein Blech über das andere, wie bei Vatters
Wurstbrot die Salami über den Knust. Genau an das Ende der einen Blechscheibe soll die Naht.
Sozusagen in die Kehle, die zwischen Kante des einen und Oberfläche des anderen Bleches ist.

Kehle ist in diesem Zusammenhang nicht das, was man sich regelmäßig mit Eierlikör einölt, sondern eher
im Sinn von „da laufen zwei Flächen in einem Winkel zusammen und in der Schnittlinie liegt die Kehle“
gemeint. Die Überlappnaht ist also bei genauer Betrachtung gar keine, sondern eine Kehlnaht en
miniature.

Die Besonderheit der Kehlnaht oder der Überlappnaht ist die Notwendigkeit, die Elektrode nicht nur in
Fahrtrichtung zu neigen, sondern auch fast als Winkelhalbierende zu kippen. Das wird auf dem
nebenstehenden Bild deutlich. Neigt man zu wenig oder zu viel, legt man die Schweißnaht nur auf eines
der beiden Bleche und nicht in die Kehle.

Eine kleine Kehle ist auch eine Kehle: Elektrode im Winkel ansetzen…
… und „in Fahrtrichtung“ neigen. Erfodert etwas Übung, bis die Naht korrekt auf dem Blech liegt.
Genau so.

Kehlnaht

Bei der (echten) Kehlnaht ist der richtige Winkel noch wichtiger als der Überlappnaht. Haut man da (und
das geht leicht) um 10 oder 20 Grad daneben, pappt man ein Blech nur locker an das andere und der
Großteil der Schweißnaht befindet sich nutzlos auf der gegenüberliegenden Seite.

An dem Musterstück kann man sehen, dass Blech nicht nur im üblichen Winkel von 90° verschweißt
werden kann sondern auch unter 270°. Quasi auf der anderen Seite. Hier bildet sich auch eine Kehle
(wenn auch nur klitzeklein), in die man aber gut und gerne ein Nähtchen legen kann. Hier muss man den
Grad des Einbrandes gut im Gefühl haben, damit die Naht auf der ganzen Länge eine exakte Breite und
Tiefe hat.

Muster mit Wert: Vladi (nicht im Bild) zeigt, wie man die Elektrode für eine schöne Kehlnaht neigt. Im real existierenden Wahnsinn sieht das….
… dann so aus.

Schweiss-Fehler

Müssen wir nochmal darauf hinweisen, dass alles hier beschriebene nur basaler Urschlamm ist und die einfachsten Baustahl-Fälle behandelt? Und obwohl wir auf all das, was eigentlich interessant ist (Fall- Steig- und Überkopfnähte, andere Materialien) nicht eingehen können, hier noch mal ein Abriss über die gängigsten Fehler, die auch bei einfachen Übungen immer wieder auftauchen.

Tupf, tupf, tupf, bzzzzzz. Das ist, wie sich der Zündvorgang anhören soll. Manchmal hört man ein
energisches tupf!, tupf!!, tupfff!!! und schließlich ein paar solide Flüche. Die Elektrode will nicht zünden,
oder der Lichtbogen brennt instabil.

Ursache ist meistens eine zu niedrige Stromstärke (hochdrehen), ein zu schwächlicher Stromkreis
(Netzleitung des Trafos ok?, Masseklemme mit gutem Kontakt?, etc.) oder eine feuchte Elektrode
(wegwerfen und neu kaufen oder ab damit in den Backofen). Besonders simpel auch die schlicht und
einfach verdreckte (oder noch irgendwie beschichtete) Oberfläche des Werkstücks.

Schlacken-Einschlüsse

Die verdreckte oder ölige Oberfläche ist auch das, was oft für Schlackeneinschlüsse sorgt. Diese Einschlüsse bereiten dem Schweißfachingenieur graue Haare und kosten in der Nachbearbeitung viel Geld.
Steht während solcher Nacharbeiten das AKW von um die Ecke still, wird ein Schlackeneinschluss sehr teuer und kommt meist nach dem Ultraschall oder Röntgen ans Licht.

Steht derweil das AKW von um die Ecke still, wird so ein Einschluss sehr teuer. Dass dann gelegentlich erkleckliche Summen für die Retusche von Röntgenbildern statt in den Austausch der Nähte fließt, ist selbstverständlich ein Greuelmärchen.

Der Schlackeneinschluss degradiert nämlich die dollste Naht zum Ausschuss, weil an dieser Stelle schlicht nichts hält oder eine Leitung (im Notkühlkreislauf des Reaktors) ärgerlicherweise undicht ist.
Oder eine Sollbruchstelle schafft. Abhilfe: neu machen oder die Stelle aufwändig ausflexen und ein Stückchen Naht neu reinlegen. Neu reinlegen oder anlegen auch dann, wenn die Elektrode alle ist.

Bei längeren Nähten ist das unvermeidlich. Wenn man neu anlegt, zündet man die neue Elektrode immer auf dem Ende der alten.
Die Naht wird an dieser Stelle etwas dicker, ist aber weiter einwandfrei. Alles andere produziert ein formschönes Loch. Diese Löcher oder auch die erwähnten Schlackeneinschlüsse treiben den Schrauber in Formen tiefen Wahnsinns, wenn es darum geht, Behälter zu Schweißen oder zu flicken.
Genau hier sibbert nämlich im Zweifelsfall ein winziges, aber nicht zu übersehendes Rinnsal Diesel oder Wasser oder wasauchimmer heraus. Oder es zischt leise aber vernehmlich, wenn es sich um Druckluftanlagen handelt.

Schlackeneinschluss inner Kehlnaht: Sowas….
… degradiert die ansonsten feine Naht leider zum Ausschuss. Bis auf den Grund ausschleifen und neu reinlegen.
Elektrode zu Ende? Kommt durchaus vor – allerdings sollte man die neue Elektrode nicht daneben zünden, sondern…
… auf dem Ende der alten Raupe. Nur so wird die Naht wasser- oder öldicht.

Schweissstrom einstellen

Richtig eklig und ein Fauxpas erster Güte ist, wenn die Schlacke beim Schweißen vor das Schweißbad
läuft. Hat man das bemerkt, ist es meist zu spät. Vor der Elektrode baut sich eine unschöne Suppe aus
Schmelze und Schlacke auf, die man nur noch unter Einsatz des Winkelschleifers entfernen kann.

In aller Regel hat man dabei die Elektrode nicht genügend in Fahrtrichtung geneigt, also zu aufrecht gehalten.
Unter dem Strich lässt sich festhalten, dass man bei aller Einstellerei am Trafo eigentlich wenig verkehrt
machen kann: Man kurbelt das Gerät so hin, dass der Lichtbogen sauber brennt (vielleicht wie auf dem
Video) und zündet. Der Einbrand soll tief sein, aber keineswegs darf die Naht durchsacken.
Grobe Faustregel: der Einbrand soll zu gleichen Teilen auf und unter der Werkstückoberfläche liegen. Ist der
Einbrand tiefer und vielleicht auch noch ein dekorativer Rasen von Schweißspritzern um die Naht, hat
man in aller Regel zu VIEL Strom eingestellt.

Willentlich zu WENIG Strom nimmt man, wenn man Panzert oder Auftragsnähte produziert. Hier ist der
Effekt, dass die Naht übersteht, ja gewünscht – eine Verteilung von 2/3 auf und 1/3 im Werkstück in
Ordnung. Der E-Hand-Bandwurm-Artikel endet genau HIER.

Weiter geht ́s in absehbarer Zeit mit Vladimirs Wunderlampe (WIG), der günstigen Alltagsbräterei
(MIG/MAG) und dem Großvater aller Schweißverfahren – Autogen. Junge Damen, bitte wieder anziehen
und die Mobiltelefone eingeschaltet lassen.

Viel hilft nicht viel: Diese Naht ist zu tief eingebrannt. Weniger Strom nehmen.
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