Messschieber

Messen mit dem Messschieber 2

Das rechte Maß

Jeder anständige Messschieber verfügt neben der Hauptskala noch über eine zweite, merkwürdige Skala und Teilung am unteren Teil des Schiebers. Wozu?

Bezugstemperatur

Alle Maße im Maschinenbau gelten bei glatten 20 °C, einfach weil sich diese Temperatur recht einfach herstellen lässt. Wenn deshalb in einer Zeichnung ein Maß von 120+0,03 steht, so heißt das, dass das Werkstück irgendwas zwischen exaktemang 120 und 120,03 mm dick oder dünn oder lang sein darf – und zwar bei 20 °C.

Verfrachtet man nun Achsschenkel, Ventile oder ein Bund Lagerbuchsen in den heimischen Ofen, dehnen sie sich aus: ihre Maß sind (heiß gemessen) zu groß. Dasselbe nach einem Aufenthalt in der Tiefkühltruhe: Maße vorgeblich zu klein.

Ein Blick auf das Thermometer ist deswegen Pflicht, bevor man mit dem Uhren- oder Digitalmessschieber herumhantiert und die Jagd auf das Hundertstel eröffnet. Richtig Aussagekräftig ist das nur bei 20 °C.

Zu kalt? Zu warm? Alles ober- und unterhalb von 20 °C verfälscht das Messergebnis.

Genau mit Nonius

Jeder anständige Messschieber verfügt neben der Hauptskala noch über eine zweite, merkwürdige Skala und Teilung am unteren Teil des Schiebers. Dieser Nonius ist das, was den schnöden Taschenmessschieber vom Zollstock und Knopfmaß unterscheidet. Die Nonius-Skala ist anders geteilt als die des festen Messschenkels; deswegen ist immer ein anderes Strichpaar mit der Hauptskala deckungsgleich.

Diese „andere“ Teilung des Nonius kann Messergebnisse von 1/10, 1/20 oder sogar von 1/50 Millimeter liefern. Gute, also wirklich stabile und hochgenaue Präzisionsteile von Markenherstellern messen auf 1/20 genau, die mitunter versprochenen 1/50 sind Phantasie.

Solche Genauigkeit ist kaum mit einem Digitalmessschieber präzise und wiederholgenau hinzukriegen; sollte man am besten der Bügelmessschraube überlassen.

Nonius ablesen

Auf dem ersten Bild ist der Wert 15,35 Millimeter im Messschieber eingeklemmt. Die Null des Nonius zeigt auf den Wert 15 – also beträgt der Messwert schon mal 15 Komma irgendwas. Die Suche nach der genauen Nachkommastelle ist nicht weiter schwer: da, wo sich einer der Noniusstriche mit einem Strich der Schieberskala deckt, hat man den exakten Wert.

Ebenso die beiden übrigen Werte 15,9 und 15,0 Millimeter. Genau hinkucken. Zur Übung empfiehlt es sich, den Messschieber mit in die Sauna oder ins Nagelstudio zu nehmen, und da die Noniusschieberei in Ruhe auszuprobieren.

Um den Nonius halbwegs korrekt ablesen zu können, muss man lotrecht auf das Gerät kucken. Wenn man die Skala von halbschräg anlinst, kann man sich locker um einen Zehntelmillimeter verhauen. Dieses fehlende Zehntel entscheidet aber häufig über „Gut“ oder „Ausschuss“ eines Achsschenkelbolzens.

Einstellwert 15,35 mm. Kann auch ein Hauch mehr oder weniger sein.
Hier: 15,9mm.
Genau 15 mm.

Tiefenmaß

Die Nonius-Deuterei funktioniert sinngleich auch an der Sonder-Bauform des Messschiebers: Dem Tiefenmaß. Dieses Ding findet man in Schrauberbuden nur selten, kann aber nötig sein, wenn es darum geht, die korrekte Tiefe von Schraubenlöchern oder Ölkanälen zu bestimmen.

Wenn man nämlich schon mit der Zunge, die hinten aus dem schnöden Taschenmessschieber rauskuckt, schon ganz passabel Tiefen von Bohrungen feststellen, so ist das mit einem Tiefenmaß erheblich genauer.

Noch nix zu Weihnachten? Ein Tiefenmaß hat Vaddi garantiert noch nicht.
Findet sich auch am Tiefenmaß – der Nonius.

Wartungsfrei

Warten oder reparieren lässt sich am gezeigten Messgerät wenig. Etwas bessere Messschieber verfügen über nachstellbare Schieber, das ist meist an zwei Schräubchen auf der Längsseite zu erkennen – die kann man alle vier Jahre leicht nachziehen oder auch nicht.

Ansonsten reicht die pflegliche Behandlung und ein Hauch Ballistol zu Ostern, damit so ein Messschieber lange oder sogar sehr lange hält.

Wenn es vor den Weihnachtsferien ans Aufräumen geht und die Kollegen gegen Freitagmittag an der Werkbank klönen, kann man den 60jährigen Altgesellen mal nach seinem Messschieber fragen: oft hat der Mann noch den Mauser-Originalschieber aus seiner Lehrzeit in der Schatulle. Ganz hinten, in Ölpapier gewickelt.

Ewiges Leben für die Enkel – im Etui.

Qualität und Preis

Während man bei Schraubenziehern klar zwischen Murks und Spitzenqualität, die noch nach drei Jahren harter Arbeit gut aussieht, unterscheiden kann, ist das bei Messschieber nicht so leicht. Die Dinger sind, pfleglich behandelt und von diebischen Kollegen verschont, kaum kaputtzukriegen. Dafür sind sie, vom Digital- oder Uhrenmessschieber mal abgesehen, nämlich zu einfach konstruiert.

Ein einfacher Taschenmessschieber von Promat, Format fängt bei vielleicht 15 Euro an. Für das High-End-Produkt von Hahn & Kolb oder Mauser legt man vielleicht das fünffache hin. Messen tun die Teile alle dasselbe. Selbst die russischen Flohmarktschieber taugen in aller Regel was.

Ein gutes Preis-Leistungsverhältnis haben Geräte von Mitutoyo oder FEKU. Die etwas besseren Teile haben einen nachstellbaren Schieber. Das ist meist an zwei Schräubchen auf der Längsseite zu erkennen. Braucht man allerdings alle vier Jahre zu Weihnachten, wenn überhaupt.

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