Schleifer, Flex und Winkelschleifer
Winkelschleifer heißen Winkelschleifer, weil die Schleifspindel im 90°-Winkel zur Motorwelle steht. Das hat im Gegensatz zum Geradschleifer, bei dem die Motorwelle einfach nur verlängert oben aus dem Gerät rauskuckt, den Vorteil, dass man Flächen schleifen kann, ohne sich die Arme zu verrenken. Auf einem der Bilder ist auch ein Zwitter zu sehen – ein einfacher Schleifer. Mit diesem Teil kann man im Akkord Flächen schleifen, weil der Motor, besser: die Welle bereits in der richtigen Position ist. So ein Ding dreht recht langsam und ist obendrein sauschwer. Trennen kann man damit nicht, weil man wegen des fetten Motors nur in der Horizontalen arbeiten kann.
Ein echter Winkelschleifer besteht also aus Elektromotor und einem Winkelgetriebekopf, in den die Motorwelle reingeht und in dem die Schleifspindel doppelt gelagert ist. Der Getriebekopf reduziert zudem noch die Motordrehzahl und erhöht gleichzeitig das Drehmoment. Die Motoren selbst sind in aller Regel Universalmotoren mit 220 Volt, 50 Hertz und einer konstanten Drehzahl. Die Begrifflichkeiten „Flex“ und „flexen“ stammen wie üblich vom einst dominierenden Gerät der Zunft, der echten „Flex“ von Firma Ackermann und Schmitt.
Schleifleistung und Scheibendurchmesser
So wie es kleine und große Schraubenzieher gibt, hat auch der freundliche Werkzeughändler von um die Ecke wenigstens zwei verschiedene Größen von Winkelschleifern im Schaufenster. Die unterscheiden sich hinsichtlich Leistung, Verarbeitung, Ausstattung und Scheibendurchmesser. Das Kriterium „Leistung“ kann man direkt mit dem geliebten Kfz vergleichen: Was dem Amischlitten-Fahrer sein „Hubraum ist nur durch Hubraum zu ersetzen“ ist dem Winkelschleifer-Besitzer das „Leistung ist nur durch Leistung zu ersetzen“.
Eine schlichte Wahrheit, die man erstmal so hinnehmen muss. Vor allem, weil die Riege ausgewachsener Geräte schon bei 500 Watt anfängt. Das ist jedoch – notabene – die aufgenommene Leistung, also nicht das, was vorne an der Schleifspindel ankommt. Solche Winkelschleifer haben meist einen Schleifscheibendurchmesser von 115 mm, die kleinste gängige Größe. Ist man mit 500 Watt bei 115 mm schon ziemlich untermotorisiert, sind diese 500 Watt bei der nächstgrößeren Schleifscheibe, der 125er, schlicht zu wenig.
Ein Winkelschleifer mit 125 mm Scheibendurchmesser sollte wenigstens 700 Watt haben. Besser mehr. In allen größeren Schleifscheiben-Klassen von 180 mm und 230 mm kann nie genug Leistung an der Welle anstehen, insbesondere, wenn man viel und grimmig trennt. Wuchtbrummen dieser Kategorie haben bei einem Scheibendurchmesser von 230 mm deshalb auch eine Anschlussleistung von 2.600 Watt – soviel wie ein Moped.
Das Typenschild der Maschine hält
Netzspannung, Stromaufnahme, Leistungsaufnahmen (nicht Wellenleistung) und noch mehr Daten für die Nachwelt fest. Das abgebildete Typenschild gehört zu dem Bosch-Schleifer unten im Bild. Mit einer Netzspannung von 265 Volt und der Frequenz von 200Hz (durch die man den Motor kleiner bauen kann und sehr wirksam dem Diebstahl durch Werksangehörige vorbeugt) stellt dieser Apparat jedoch eine Rarität dar und ist in der heimischen Werkstatt wertlos.
Daneben noch das Schild eines „normalen“ Metabo-Schleifers.
Welchen Winkelschleifer?
Der Einsatzzweck bestimmt deswegen die Leistungsklasse und den Scheibendurchmesser. Ein aktueller
Winkelschleifer der 125 mm-Klasse schluckt zwischen 700 und 1.400 Watt – und während man den 700
Watt-Schleifer mit montierter Trennscheibe an einem Metallklotz noch locker auf Null bremst, verhält
sich der Schleifer mit 1.400 Watt vergleichsweise biestig und schneidet auch dicke Profile mühelos.
Hat man viel Trennarbeiten zu erledigen, so ist viel Leistungsreserve ein echtes Plus. Braucht man das Ding aber vorwiegend zum Beschleifen von Softspachtel in der Lackierbude, reicht die kleine Leistung meistens aus. Nachteil des elektrischen Testosterons sind nämlich Gewicht und Baugröße – ein kleiner Winkelschleifer mit 500 Watt wiegt kaum drei Pfund, während die 2.600 Watt-Wuchtbrumme gerne 5 Kilo auf die Waage bringt. Und schruppt man man als untrainierter Mitteleuropäer zehn Minuten mit so einem Klotz herum, kann man vor lauter Erschöpfungszittern nicht mal mehr die Kippe zum Mund führen, geschweige denn sicher anzünden.
Sanftanlauf
Für nahezu jede Leistungsklasse empfehlen
sich Maschinen mit Sanftanlauf. Das elektronisch gesteuerte, langsame Hochfahren des Motors verhindert bei großen Maschinen den herben Drehmomentbums im Handgelenk und vor allem den Knick im Stromnetz. Hat man eine 2.000 Watt-Maschine mit nagelneuer, dicker 230er Schruppscheibe bestückt, braucht es ein oder zwei Sekunden, um die ganze Fuhre auf Touren zu bringen. Normalen Lichtnetzautomaten ist ein solcher Anlaufstrom zu lange und zu viel. Wenn man Pech hat, steht man mit einer solch wunderbaren Maschine da und kriegt sie ums Verrecken nicht in Gang, weil ständig die Sicherung rausfliegt. In diesem Fall ist Elektronik ein Segen. Falls sowas nicht zur Hand ist, empfehlen wir einen Versuch mit dem Sanftanlauf für Arme – einer simplen Kabeltrommel vor der Flex.
Teuer und billig
Bevor man also in den Winkelschleiferladen tappt, sollte man sich überlegen, wofür man das Gerät braucht. Die nächste Überlegung geht dann: wie häufig braucht man das Ding? Davon ist nämlich, so man nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügt, abhängig, welche Verarbeitung und Ausstattung man fürs Geld bekommt.
Kleine, tatsächlich funktionstüchtige Winkelschleifer mit Minimalausstattung werden mitunter in Chinaplunderläden für 10 Euro verramscht. Obwohl dieser Preis nicht mal für die Kugellager einer deutschen Maschine reicht, kann man mit diesen Dingern durchaus arbeiten. Solche Geräte sind meist schlampig verarbeitet, funktionieren jedoch.
Viele Montagefirmen schicken ihre Monteure auf größere Baustellen wegen Diebstahlgefahr nur mit solchem Gerät, weil der Verlust von wertvollem 200 Euro-Schleifern durch 20 (!) solcher Billigmaschinen locker wettgemacht wird. In der heimischen Werkstatt kann man mit einer echten Flex, einer blauen Bosch, einer Metabo einer Fein oder Makita lebenslang glücklich werden, muss aber tief in die Tasche greifen.
Marken-Maschinen gebraucht zu kaufen kann sinnvoll sein; allerdings muss man das Ding wirklich ausprobieren, weil oft genug Netzschalter, Kondensatoren, die Wicklungen oder das Winkelgetriebe im herben Dauerbetrieb auch nicht ewig halten.
Netzschalter
Lebensnotwendiges Detail ist der Netzschalter. Der kann als Schiebeschalter, Kippschalter oder Schaltring ausgeführt sein. Wichtig ist, dass man in jeder Lebenslage an das Ding rankommt. Gute Schalter springen zudem von selbst auf Null, wenn man sie loslässt.
Falls nämlich während der lustigen Schleiferei ein Kollege Heizstrahler, Wasserkocher oder Kompressor startet, fliegt gern die Sicherung raus. Meist legt man den Schleifer dann (eingeschaltet) auf die Seite und wankt missmutig zum Sicherungskasten. Das Flexrennen unterm Wagenboden startet just dann, wenn man den Schalter des Sicherungsautomaten hochdrückt: Ein Winkelschleifer mit 2 kW braucht nun recht viel Auslauf und reißt gerne das Netzkabel samt Aufputzdose von der Wand.
Netzkabel
Das Netzkabel versorgt den Schleifer nicht nur mit Strom, sondern gibt auch Hinweise auf die Qualität des Geräts: Die Kabel an Billigmaschinen sind meist zu kurz und mit PVC ummantelt. Das erfordert einerseits immer ein Verlängerungskabel und macht die Strippe andererseits bei niedrigen Temperaturen störrisch wie einen TÜV-Prüfer bei der Einzelabnahme. Netzkabel guter Maschinen sind ab Werk einen Tick zu lang und bestehen aus exzellentem Gummi- oder Silikonkabel.
Auch bestes Kabel sollte man wirklich alle Tage und bei gezogenem Netzstecker (!) auf Beschädigungen untersuchen; man haut bei rauem Betrieb nicht nur mit Scheibe und Bürste einen Ritzer in die Strippe, sondern zieht das Lebensband des Geräts auch gerne unbemerkt über eine scharfe Kante. Das setzt wahlweise Garagentor, Werkbank oder den in der Mache befindlichen E-Type augenblicklich unter Netzspannung sowie den daran angelehnten Schrauberkollegen in Ekstase.
Scheibenwechsel
Mit nur einem einzigen Winkelschleifer abwechselnd zu Trennen, zu Schruppen und zu Schleifen, erfordert mindestens drei Scheiben – die hierzu alle naselang gewechselt werden müssen. Die ganz klassische, chinesische Befestigungsmethode des Schleifmittels besteht aus Lochschlüssel und einem Maulschlüsselchen aus Blech. Mit diesem Werkzeug lassen sich Schleifspindel arretieren und die Lochmutter der Scheibenbefestigung lösen.
Als Normalsterblicher macht man so einen Wechsel zwischen 5 und 12 Mal mit, bevor man a. eins der „Werkzeuge“ verliert, b. sich zwei weitere Winkelschleifer kauft oder c. auf eine Maschine mit Spindelstopp und/oder Schnellspannmutter umsteigt.
Echter Fortschritt und de facto unentbehrlich ist die Spindelarretierung: Die zeigt sich in Form eines unscheinbaren Knopfes, der irgendwo am Winkelgetriebe einen Stift in den Zahnkranz schiebt und das Gerät komplett arretiert. So lässt sich das Schleifmittel mit nur einem Werkzeug wechseln und viel Frust sparen. Schleifer ohne so ein Zauberknöpfchen sollte man im Regal liegen lassen.
Profis reicht diese Arretierung völlig aus; weil die Drehrichtung der Schleifscheibe die Spindelmutter festzieht, kann sich die Scheibe nur im ungünstigsten Fall lockern. Wenn es schnell gehen muss, arretiert man zum Wechsel die Spindel, montiert die Scheibe zusammen mit der normalen Spindelmutter und zieht (bei arretierter Spindel) die Mutter mit der Scheibe fest.
Als Alternative bieten sich handbetätigte Muttern an, die irgendwann in den 90er Jahren aufkamen. Diese dicklichen Muttern besitzen eine federbelastete Selbsthemmung und werden von Hand festgezogen. Sie gehen auch bei härtester Belastung nicht von selbst auf, brauchen aber etwas mehr Zeit beim Wechsel.