Maschinen-Gewindebohrer und Duchgangsloch-Gewindebohrer
Maschinen-Gewindebohrer und Duchgangsloch-Gewindebohrer
GewindeKernloch

Kernloch und Gewindebohrer

Korrekte Bohrung

Innengewinde schneidet man in der Werkstatt mit Durchgangs- oder Sacklochgewindebohrern. Aber mit welchem Kernlochdurchmesser?

Kernlochdurchmesser

Neben Windeisen und Gewindebohrer braucht es für das Innengewinde vor allem ein lecker präpariertes
Loch. Nicht irgendeins, sondern DAS Kernloch für JENES Gewinde.
Das bedeutet, dass zu einem bestimmten Regel- oder Feingewinde auch immer ein ganz bestimmtes Loch
gehört.
Weil dieser Durchmesser so wichtig ist, hat er sogar eine eigene Spalte in den unzähligen Normtabellen.
Schockierenderweise finden sich jedoch allein für das schnöde M10 ganze 6 verschiedene
Kernlochdurchmesser – und zwar je einen für jede einzelne Gewindesteigung.
Wie hatten das in der Theorie: Feineres Gewinde = Mehr Zähnchen pro Millimeter = Zähnchen weniger
hoch = Kernloch größer. Ganz konkret sieht das für den M10-Fall dann so aus:


M 10 x 0,2: Kernlochdurchmesser 9,78mm
M 10 x 0,5: Kernlochdurchmesser 9,46mm
M 10 x 0,75: Kernlochdurchmesser 9,19mm
M 10 x 1: Kernlochdurchmesser 8,92mm
M 10 x 1,25: Kernlochdurchmesser 8,65mm
M 10 x 1,5 (Regelgewinde): Kernlochdurchmesser 8,38mm


Weil kaum jemand solch ein Bohrerarsenal vorhält, darf im Hinblick auf die Bohrerdurchmesser getrost
gerundet werden. Gerne auch großzügig: Beim Regelgewinde M10 (also M10x1,5) kommt man dann auf
einen Kernlochdurchmesser von 8,5mm. Bei dieser Bohrung sind die Flanken des Innengewindes dann
nicht vollständig ausgeformt; das Gewinde wird jedoch in jedem Fall funktionieren.

M10, verschiedene Gewindesteigungen. Weil jede Steigung ihr ganz eigenes Kernloch braucht, muss man hier genau hinkucken.
Nein, kein geflipptes Bild aus Photoshop; vielmehr Linksgewinde. So selten und abartig, dass es nach einer Sonder-Giftkiste neben dem zölligen Gewinde verlangt.

Sack- oder Durchgangsloch

Eigentlich ist diese Unterscheidung so trivial, dass es fast wehtut. Trotzdem hat sie für die Produktion
(und später auch für die Reparatur) des Innengewindes entscheidende Bedeutung: Ist die Bohrung auf
beiden Seiten offen (Durchgangsloch) oder an der einen Seite zu (Sack- oder Grundloch)?
Schon in der Konstruktionsabteilung von VW, BMW oder Hyundai wird bei der Konstruktion von
Gussteilen auf diesen feinen Unterschied geachtet – Durchgangslöcher lassen sich einfacher und schneller
herstellen, weil Späne durch die vorgegossene Bohrung leichter abfließen können.


Das erspart ein paar Sekunden Rückholbewegung des Bohrers, um die Späne loszuwerden.
In der heimischen Schrauberhöhle spielt das Zeitsparen keine Rolle – hier soll ein Gewinde in die
sinnfreie Bohrplatte, den selbstgeklöppelten Auspuffhalter oder den Druckluftverteilerblock des neu

erstandenen Kompressors gedrallert werden. Viel interessanter (und wichtig bei der Entscheidung Sack-
oder Durchgangsloch) ist die Frage nach der nutzbaren und sinnvollen Gewindelänge.

Zahnriemenscheibe, Opel. Hier sitzen Durchgangslöcher mit einem überflüssig langen Gewinde. Das spart jedoch eine Rückholbewegung der Maschine und ist deswegen trotzdem billiger herzustellen.

Gewindelänge

Um es kurz zu machen: Bei Regelgewinden in Stahl tragen die ersten 5 Gewindegänge über 80% der
Last. Mehr Gewindegänge in den Stahlklotz zu schneiden, bringt nix – außer Arbeit und Spänen.
Selbstverständlich ist das eine wutbürgergrobe Vereinfachung, einfach weil die Festigkeit einer
Schraubenverbindung natürlich von der Festigkeit des Schraubenmaterials, dem Gewindedurchmesser,
der Steigung und noch ein paar weiteren Faktoren abhängt. Trotzdem sind diese Faktoren so verknotet,

dass zum Beispiel Sechskantmuttern seit dem Pleistozän irgendwo zwischen 0,8 und 1,0 mal d (also dem
Nenndurchmessers des Gewindes) hoch sind.
Ein „Mehr“ an Gewinde (also höhere Muttern mit mehr Gewindegängen) bringt es also nicht.
Beim beschriebenen M10x1,5 kommt man mit einer Gewindelänge von 8 oder 10mm locker hin. Mehr
wäre vergebens; die Schraube würde bei Überlastung auf freier Länge außerhalb der Verbindung
einschnüren und abreißen.
Stößt man bei einer Reparatur also mal auf Gewinde, die jemand mit Mühe und Akribie bergmännisch auf
5xd in das Bauteil abgeteuft hat, so braucht man das bei einer Reparatur nicht zu beheben, sondern bohrt
mit maximal 1,5xd auf und spart dann auch noch ein halbes Vermögen für die Schrauben.

Handgewindebohrer

Das Werkzeug, mit dem man eine jungfräuliche Bohrung in ein faltiges Gewinde verwandelt, heißt
Gewindebohrer. Und je nach Anwendung kommen zwei verschiedene Bauformen von Gewindebohrern
zum Einsatz. Die erste und weit verbreitete Form besteht aus drei Gewindebohrern, die ein Gewinde in
drei „Zügen“ herstellen. Der erste Bohrer bohrt vor, der zweite bohrt auf und der Dritte sorgt für eine
feine Oberfläche.


Das ist überirdisch simpel, eignet sich aber nur für Durchgangslöcher, weil Bohrer dieser Bauart einen
langen Anschnitt haben, um sich sauber und lotrecht in der Bohrung zu zentrieren. Darüber hinaus kann
dieses Gewindebohrer-Triumvirat nur mit einem Windeisen und von Hand betrieben werden.
Weil sich die drei kleinen Biester kaum unterscheiden, muss man insbesondere bei den Bohrern für
zweiten und dritten Zug genau hinschauen. Um aber auch in der finstren Bude ein leckeres Innengewinde
zu zaubern, sind die Bohrer vom Hersteller beringt: Nummer eins hat einen Ringel am Schaft, Nummer
zwei hat zwei und der Fertigschneider hat keinen Ringel am Hals.


Alle drei werden nacheinander in das Loch gedrallert und ergeben dann das Loch. Die meiste Arbeit
übernehmen hierbei die Bohrer des ersten und zweiten Zugs; der Fertigschneider ist primär für die
saubere Oberfläche des Gewindes zuständig.

Die drei vonner Tankstelle. Reihenfolge beim Reindrehen: Ein Ringel, zwei Ringel, zuletzt kein Ringel. Idiotensicher.

Maschinengewindebohrer

Nur in der afghanischen Provinz werden alle Gewinde der AK47-Kopie noch von Hand und in drei Zügen
geschnitten. Überall sonst kommen für so einen Zweck Maschinen zum Einsatz. Und kaum
verwunderlich, dass drei Gewindebohrer, die man obendrein noch mittelalterlich kompliziert wechseln
muss, einer rationellen Waffenproduktion eher hinderlich sind.
Um die Weltherrschaft also noch vor 2050 zu erringen, kommen Maschinengewindebohrer ins Spiel:
Diese zahnigen Gesellen haben einen sehr kurzen Anschnitt und schneiden das Innengewinde in einem
einzigen Atemzug.


Sie haben meist ebenfalls einen Vierkant am Schaft, sind aber eigentlich für die Einsatz in der
Bohrmaschine vorgesehen. In so eine Bohrleier eingespannt, schneidet sich das Gewinde quasi von selbst
und binnen Sekunden.


Größter Vorteil des Maschinengewindebohrers ist jedoch der kurze Anschnitt: Damit zentriert sich das
Ding zwar kaum in der Bohrung, ermöglicht aber Gewinde bis fast auf den Grund von Sacklöchern – die
mit den drei Brüdern von der Tankstelle schlicht unmöglich sind.

Maschinengewindebohrer (vorne). Macht rassige Sacklöcher in einem Ruck. Auch wenn die spiraligen Spannuten die Späne gut abführen, so muss trotzdem zurückgedreht werden.

Welcher Bohrer wofür?

Wenn Schleifscheiben, Drehstähle und Spiralbohrer für unterschiedliche Werkstoffe gemacht werden, so
ist das bei Gewindebohrern nicht viel anders. Unschwer zu erraten, dass der Gewindebohrer für

Aluminium nicht nur anderes Material zerspant als der Ahl für irgendeinen zähen und hochfesten Chrom-
Nickel-Sonderstahl.

Die Hersteller der Bohrwerkzeuge haben ihre Gewindebohrer deshalb in Gruppen eingeteilt, die sich in
aller Regel nach der Zugfestigkeit des (Werkstück-) Werkstoffs unterscheiden.
Diese Farbeinteilung ist nicht unbedingt einheitlich (bitte um Korrektur, wenn jemand besseres weiß!):
Gelber Ring: Bunt- und Leichtmetalle, Zugfestigkeit < 850 N/mm2
Scharzer Ring: Bau- und Qualitätsstähle
Grüner Ring: Grauguss und Qualitätsstähle < 1.000 N/mm2
Blauer Ring: Rostfreie Stähle
Roter Ring: Hochfeste Stähle < 1.400 N/mm2.


Für die schnöde Werkstattpraxis und die sinnfreie Bohrplatte ist diese Unterscheidung ziemlich wurscht.
Allerdings erklärt sie, weswegen Maschinengewindebohrer M5 mit rotem Ringel und goldener Spitze im
Fachhandel glatte 40 Euro kostet, während der Chinaplunder-Laden so ein Ding für 3 Euro feilbietet.

„Fall gelb“ – meint hier nicht den Einmarsch in Belgien und den Niederlanden, sondern einen Gewindebohrer für niedriglegierte Stähle.

Windeisen

Funkeln Gewindebohrer und das Kernloch nun freudig in der Morgensonne, so könnte die
Gewindeschneiderei eigentlich losgehen – wenn man den glitschigen Bohrahl denn anpacken und drehen
könnte.
Für diesen Zweck hält der freundliche Werkzeugonkel „Windeisen“ bereit. Solche Gerätschaften dienen
einzig dazu, den glitschigen Ahl festzuhalten, damit die Bohrerei überhaupt funktioniert.
Im Gegensatz zu früheren Tagen sind Windeisen heute fast immer mit einem Verstellmechanismus

ausgestattet und überspannen damit meist ein halbes Dutzend Vierkante mit einer einzigen Windeisen-
Größe.

Um sich für alle Eventualitäten zu wappnen, lohnt deswegen der Besitz von zwei unterschiedlich großen
Verstell-Windeisen und einem Superspezial-Verlängerungswindeisen. So ein Teil hat nicht nur einen
langen Schaft, mit dem man auch versenkte Bohrungen mit Gewinde versehen kann (wichtig in
Zylinderköpfen), sondern verfügt auch über eine Umschaltratsche. Die verringert den Platzaufwand und
beschleunigt vor allem das Gewindeschneiden, wenn man z.B. 20 Gewinde á M5 in einer Reihe und von
Hand fertigen will.
Welch diabolischen Tücken das Schneiden von Außengewinde bereithält, zeigt unsere nächste Folge.
Please stay tuned, ladies.

Nein, kein geflipptes Bild aus Photoshop; vielmehr Linksgewinde. So selten und abartig, dass es nach einer Sonder-Giftkiste neben dem zölligen Gewinde verlangt.
Nochmal Windeisen – das Ding in der Mitte ist kein Zündkerzeninstrument, sondern eine Ratsche mit links-rechts-Umschaltung und respektabler Verlängerung. Unverzichtbar, wenn Gewinde in Zylinderköpfen oder im Motorinneren verarztet werden soll.
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