Bremse fest?
Wenn das Auto beim Bremsen den Schlingerkurs in Richtung Straßengraben einschlagen will oder eine
der üblicherweise vier Felgen nach Abstellen des automobilen Traums ungewöhnlich heiß ist, sitzt
meistens ein Bremszylinder fest. Auch einseitig abgenutzte Bremsscheiben sind ein Indiz für
festhängende Sättel, die den Bremskolben nicht korrekt zurücklaufen lassen. Ob es sich dabei um einen
Fest- oder Faustsattel handelt, ist prinzipiell wurscht.
Ursache Nummer eins ist oft schlicht das Alter: Im Laufe der Jahre wird das Gummi der Manschetten und
Dichtungen porös, so dass Wasser eindringen kann. Korrosion ist die Folge, das Klemmen des Sattels nur
ein Symptom.
Ursache Nummer zwei wirkt schneller und lautet „Mangelnde Wartung“. Weil Bremsflüssigkeit
hygroskopisch wirkt und Wasser auch durch die Bremsschläuche zieht, sollte man die Bremsplörre alle
zwei Jahre komplett austauschen. Tut man das nicht, fällt das ins Bremssystem diffundierte Wasser aus
und sammelt sich (weil schwerer) am tiefsten Punkt – dem Radbremszylinder.
Ersatzteil: Repsatz
Ärgerlicherweise verlangt der örtliche Teileonkel schnell dreistellige Beträge für eine neue Bremszange –
billiger und besser fährt man also mit einer Reparatur des alten Teils. Die erforderlichen Ersatzteile
werden häufig als „Reparatursatz“ verkauft, also wechselt eine Tüte mit ein paar Gummiteilen für zirka
zwanzig Euro den Besitzer.
Auch hier gilt: Nichts ist besser als das Original! Häufig sind Verschleißteile der Hersteller günstiger als
man denkt, und nicht selten günstiger als die Teile aus dem Zubehör – oder noch schlimmer – die
unpassenden und lebensgefährlichen Teile aus Fernost, die im Internet für “Drei-Mark-fuffzig“ verjubelt
werden.
Bremssattel abbauen
Wir zeigen die Reparatur eines Daimlerschen Schwimmrahmen-Faustsattels – andere Bauformen werden
prinzipiell gleich zerlegt und überholt. Also das Auto aufgebockt und den Reifen abgeruppt. Vor dem
Schrauber liegt nun die hydraulische Zwei-Kreis-Bremsanlage, wie sie seit Ende der 1960ziger Jahren in
Deutschland Pflicht ist.
Die Bremszange, die die Scheibe im Würgegriff umschließt, ist auf der Innenseite mit dem Achsschenkel
verschraubt. VAGler verwenden dafür gerne Inbusschrauben, bei Daimler schwört man auf Sechskant. In
der Praxis ist es aber völlig gleich; die Schrauben müssen raus, um die Zange demontieren zu können.
Dafür bietet es sich an, das Rad maximal auszulenken. Vor dem Schrauben noch die
Bremsverschleißsensoren abstecken, sonst gibt es im Eifer des Gefechts schnell erste (und teure) Opfer zu
beklagen.
Tipp: Erst beide Schrauben lockern, dann die Erste ganz herausdrehen. Ohne „Widerlager“ dieser
Schraube fehlt die Drehmomentstütze für das Öffnen der Zweiten.
Wer jetzt schon einen Schritt weiterdenkt, kann auch bereits den Bremsschlauch (nächstes Kapitel)
lockern – geht dann leichter los.
Bremsschlauch lösen
Anschließend den Bremsschlauch von der Zange lösen. Ambitionierte Schrauber verwenden einen
passenden Leitungsschlüssel, für die Reparatur am Bordstein tut es auch ein normaler Sechskantschlüssel,
sofern die Platzverhältnisse es zulassen – und die Schläuche nicht allzu festgegammelt sind.
Das Ende des Bremsschlauch-Gewindes ist erreicht, sobald Bremsflüssigkeit auf den Gehweg plörrt –
vorher einen Lappen unterlegen und den Schlauch mit einem Gummistopfen verschließen.
Druckluft am Kolben!
Die Beute liegt nun vor einem: Der Bremssattel, allerdings meist in Form eines verrosteten Gusseisen-
Klumpens. Der besteht im Wesentlichen aus dem (vergammelten) Gehäuse, dem Entlüfterventil, einem Kolben samt Dichtring sowie der porösen Manschette, die den Kolben nach außen hin abdichten.
Um die Manschette und die Dichtung des Kolbens tauschen zu können, muss selbiger seinen seit Jahr und
Tag vertrauten Platz verlassen. Das geht man besten mit Schraubers Wunderwaffe, der Pressluft! Wer
keinen Kompressor sein eigenen nennt, nimmt Druckluft aus der Dose oder bemüht die gute alte
Fahrradpumpe mit Anschluss für das Gummiboot.
Ein Stück Holz wird gegenüber dem Kolben in die Zange gelegt und verhindert unkontrolliertes
herumfliegen des Kolbens, ein Lappen über der gesamten Zange schützt den Hermelinmantel vor der
Bremsflüssigkeit. Nun einen kurzen, aber beherzten Luftstoß in den Anschluss der Bremsleitung jagen:
Der Kolben sollte mit einem satten „Flopp!“ gegen den Holzblock fahren.
Wer Lust auf ein paar Mußestunden in der Handchirurgie des nahen Uniklinikums verspürt, hält seine
Griffel genau in Fahrtrichtung des Bremskolbens und drückt dann auf die Luftdruckpistole.
Dieser Artikel ##### zeigt, wie man sich den Adapter für die Pistole selbst baut.
Kolben entrosten
Jetzt kann das eigentliche Werk beginnen. Kolben mit der Hand rausziehen und von der Manschette
trennen. Rost am oberen Teil des Kolben mit Schmirgelpapier abschleifen und den Schnotter und Gammel
am dichtenden Teil des Kolbens vorsichtig abpfriemeln. Der Kolben muss später in der Bohrung AXIAL
abdichten – der Rechteckring im Zylinder verzeiht deswegen keine tiefen Riefen in dieser Richtung.
Letzte Runde der Schleifarbeiten am Kolben mit 1000er Schleifleinen. Falls sich der Gilb (im relevanten
Dicht-Bereich) deutlich in den Kolben gefressen hat, ist das Ding wegschmeißreif: Hier kann nix mehr
dichten. Der enorme Druck würde das Bremsöl immer am Dichtring vorbei und durch das Rostgrübchen
ins Freie drücken.
Dichtring montieren
Liegt aber der Kolben blitzeblank und tadellos auf der Werkbank, die Dichtung aus dem Zylinder
rauspfriemeln. Darauf achten, dass die Oberfläche der Bohrung nicht zerkratzt. Falls die Bohrung auch
korrodiert ist, ebenfalls mit Schleifleinen bearbeiten. Alten Dichtring rauspopeln und den neuen mit
Bremsflüssigkeit einschmieren und wieder einsetzen. Wer hat, kann auch „Bremszylinderpaste“,
verwenden. Im Gegensatz zu mineralischem Öl oder Fett verträgt sich dieses Zeug mit der silikonhaltigen
Bremsflüssigkeit.
Die neue Manschette wird auch zunächst nur auf den Kolben montiert, und dieser anschließend in den
Zylinder eingeschoben. Sobald er wieder an Ort und Stelle ist, kann die Staubmanschette in ihrer Nut
befestigt werden. Den Kolben hierbei komplett zurückdrücken, dann hat man es bei der Montage mit den
Bremsbelägen einfacher.
Insbesondere diese Montage der Staubschutzmanschette hat es in sich – einige Bremssättel sind so
verteufelt hässlich konstruiert, dass man durchaus ein paar Kabelbinder oder stumpfe Schraubenzieher
zum Stochern oder Positionieren der Manschette in ihren Nuten verwenden muss.
Im Zweifel tief Luftholen, Kolben wieder rausziehen und nochmal von vorne anfangen.
Führungsbolzen / Führungshülsen
Hat man den Sattel eh draußen, lohnt auch ein kritischer Blick auf die Führungsbolzen und deren
Manschetten, die die eigentliche Zange im Sattel „schwimmen“ lassen, so dass sich der Bremsdruck auf
beide Seiten der Bremsscheibe gleichmäßig verteilt. Verdreckte, verrostete Bolzen oder zerdrückte
Führungshülsen hindern die Zange am geschmeidigen Rückstellen.
Bei den Bolzen handelt es sich um zylindrische Bolzen aus etwas besserem Stahl, die am Ende mit einem
Gewinde in die Zange eingeschraubt werden. Deren Ausbau nach 15 oder mehr Jahren erfordert
Entschlossenheit: Nur selten lassen sie sich freiwillig entfernen. WD-40, Hammerschläge und eine große
Rohrzange sorgen für strategische Überlegenheit auf Seiten des Schraubers.
Sobald die neuen Bolzen eingeschraubt sind (zur Schonung empfiehlt sich ein Stück alte Jeans in der
Zange beim Einschrauben), werden diese mit der beiliegenden Schmierpaste versorgt und verschwinden
daraufhin in ihren (ebenfalls neuen) Gummimanschetten.
Bremse entlüften
Zu guter Letzt muss die Bremse entlüftet werden – Luft hat im Bremssystem nix zu suchen.
Wie man das macht, zeigt unser Bremsen-Entlüften-Übersichtsartikel: ########